Das Flugzeug schwebt über dem Flugzeug…so sieht es zumindest aus von oben…ein linker und ein rechter Flügel…in der Mitte der Rumpf…eine perfekte Symmetrie…am Rande eine großen Sees…der Plano Piloto…der Masterplan… geschaffen aus dem Nichts…im Zentrum Brasiliens…die Hauptstadt…Brasília
Vom Flughafen nehme ich den Expressbus und dank der hervorragenden Information bin ich auch in Null-Komma-Nichts bei Daphne, meiner ersten Couchsurfing Gastgeberin gelandet…sie wohnt im Quadrant 405…Block T…alles in Brasília ist strukturiert, geordnet…Zahlen und Buchstaben…so kann man sich gut orientieren…Daphnes Bude ist recht klein…um nicht zu sagen winzig…und dann kommt auch noch Phoebe, aus Hong Kong an…sie schläft hier für eine Nacht…na das kann ja lustig werden…bevor es losgeht zum Fußball gucken, rufe ich per Skype noch in Ludwigsfelde an…Opi hat Geburtstag und alle sind happy meine Stimme zu hören…besonders Juttl ist aus dem Häuschen…dann machen wir uns auf zu einem libanesischen Restaurant, wo wir die Spiele des Tages verfolgen…bei Humus und Tabulae feiern wir den deutschen Sieg gegen die Franzosen und später zum Brasilienspiel brennt die Hütte…der Tisch ist mittlerweile viermal so groß…extrem viele Freunde von Daphne sind da…das Bier strömt in die Kehlen…die Laune ist ausgelassen…kein Wunder…der Gastgeber macht wohl sein bestes Spiel bisher gegen Kolumbien und zieht ebenfalls ins Halbfinale ein…auweia…na das kann ja was werden…entweder ein enttäuschter Waffel oder ich muss am Dienstag schnell wegrennen, falls wir gewinnen…wie auch immer eine Sch**** Situation…jetzt aber egal…denn wir trinken noch etwas weiter auf den Sieg! Bei Daphne angekommen wurschteln wir dann auch irgendwie die zwei Matratzen für Phoebe und mich zurecht und dann wird geschlafen…zumindest bis Phoebe anfängt zu schnarchen…Sachen gibt’s! Am kommenden Tag spielt Belgien gegen Argentinien in Brasília…wir wollen versuchen Karten zu erstehen…da ich die Kreditkarte nicht mitnehmen will meint Daphne sie könne erst einmal bezahlen…am Geldautomat stellt sie dann aber fest, dass sie ihre neue Pin nicht mehr weiß und dann hat sich das Vorhaben auch schon wieder erledigt…nicht so tragisch…das spart Moneten und wir schauen das Spiel in der Nähe des Stadions beim TV Tower…nach Argentiniens Sieg treffen wir wieder Phoebe und ein paar andere Leute und machen uns auf zu einer Bar um das letzte Match zu verfolgen…einige Bier später hat Holland es dann auch noch geschafft und Costa Rica im Elfmeterschießen eliminiert. Da einige ihre Freunde mit dem Kellner einen Disput bezüglich der Rechnung hatten, ist Daphne schlecht gelaunt und so besorge ich mir noch irgendwo allein was zu essen. Am Sonntag mache ich außer einkaufen gar nix…das Fußball schauen und Bier trinken schlaucht eben doch ein wenig…ich schreibe ein wenig für den Blog und chille in der Wohnung…am kommenden Tag will ich mir dann einmal die Architektur Oskar Niemeyers zu Gemüt führen und stiefel gegen 10 Uhr los…ich komme auf die großartige Idee mir eine Brücke anzuschauen und von dort einer Straße folgend die Sehenswürdigkeiten von „hinten“ anzugehen…leider gibt es keinen Fußgängerweg und auch sonst nix zu sehen und so marschiere ich ca. 1,5 Stunden bei ordentlicher Hitze, mehr oder wenig völlig sinnlos am Straßenrand entlang…endlich erreiche ich das Oskar Niemeyer Museum, welches leider zu ist…MONTAG!…hmmpf…wenigstens kann ich die anderen extrovertierten Bauten bestaunen…eine riesige Wäscheklammer und andere surreale Gebäude und Formen säumen das Umfeld des Parlamentes, dessen Dach zwei riesige Ufo ähnliche Schüsseln schmücken…an einer Unterführung hüpft mir dann eine kleine Eule vor die Füße…was machst du denn hier kleiner Freund?…ich laufe entlang der Achse…dem „Flugzeugrumpf“ in Richtung Zentrum…entlang der vielen Ministerien…mittlerweile bin ich ganz schön durch und brauche erst einmal Stärkung…ich kaufe Pastel (frittierte und gefüllte Teigtaschen) am zentralen Busbahnhof und mache mich dann auf zum Nationalmuseum…dieses sieht aus wie ein halbierter Saturn…UND…es ist natürlich auch geschlossen…ach manno!…wenigstens kann man in die Kathedrale rein…ich finde endlich ein Platz zum Sitzen und bestaune da Lichtspiel der verschiedenen Farben…anschließend laufe ich zurück…hätte ich doch gleich diesen Weg genommen…da hätte ich mir locker eine Stunde laufen gespart…um zu Kräften zu kommen koche ich uns eine leckere Suppe und verbringe den Rest des Tages in der Wohnung…nur abends entfliehe ich noch einmal …die Blockstruktur der Stadt hat unter anderem auch kleine Straßen für Einkaufen oder Restaurants inmitten der Wohnquartiere vorgesehen…solch eine Straße befindet sich gleich nebenan…und hier gibt es auch einen McDonalds…und ich gehe für uns ein McSundae Eis kaufen…natürlich nur als Vorwand…denn wer mich kennt, weiß dass ich nicht gern zu McDonalds und Co gehe wenn es sich vermeiden lässt…aber hier in Brasília schätze ich die gepflegte Umsetzung der Franchise…im Besonderen die sauberen Toiletten…denn leider hat Daphne nur ein Badezimmer…welches von ihrem Raum abgeht…und zu allem Überfluss gibt es auch keine Tür sondern nur eine Jalousie zum runterlassen…eine nicht sonderlich angenehme Situation mitunter…und so bin ich über die Tage „Stammgast“ beim güldenen M…was dort aber keinem weiter aufzufallen scheint…auch gut!
Am nächsten Morgen bringe ich meine Klamotten zur Wäscheservice…die wohl teuerste Wäsche aller Zeiten…fast 24 € kostet der Spaß…Frechheit…aber da hier alle Wohnungen so klein sind hat auch kaum jemand eine Waschmaschine! Soentstehen also Monopole…danach gehe ich noch einmal zum Nationalmuseum…natürlich haben wir vorher nachgeschaut ob es auch offen ist….der Eintritt ist frei und die Architektur schon besonders…alles in geschwungenen Formen…keine Ecken…ich entdecke Bender wie er sich an einem Rhg ergötzt und auch die DDR ist Bestandteil der Ausstellung…mit dem deutschen WM Song „das dicke dicke Ding“ im Ohr bringe ich mich auf dem Heimweg in eine gute Vorstimmung auf das was kommen soll…wir nehmen gegen 14 Uhr die Metro Richtung Taguatinga…einem Vorort…dort wohnen Freunde von Daphne und dort ereignet sich Historisches! Deutschland besiegt Brasilien mit 7:1…der absolute Wahnsinn…unfassbar…ich komme mit dem Jubeln gar nicht hinterher und werde zur Halbzeit von allen beglückwünscht…ein wenig unangenehm ist es mir ja schon, aber immer wenn ich allein im Bad bin jubel ich wie verrückt vor dem Spiegel…haha…wie geil ist das denn bitteschön! Als guter Gast tröste ich natürlich die Anwesenden und wir gehen noch für eine Stunde zum offiziellen FIFA Fan Fest, welches gleich um die Ecke stattfindet…viel los ist nach dem Desaster natürlich nicht mehr…wieder zurück in der Wohnung gibt es noch ein paar Bier und dann heißt es schlafen gehen und vom Titel träumen…nach Hause fahren wir heute nicht mehr! Leicht verkatert gehen wir morgens frühstücken und fahren dann zurück…ich mache noch ein Nickerchen und dann schauen wir Argentinien-Holland…leider kommen die Oranjes nicht weiter…ich hätte mir das wirklich für all meine Freunde aus Holland gewünscht…dann müssen wir eben Argentinien im Finale wegputzen…ganz Brasilien steht hinter uns…den Erzfeind im eigenen Land als Weltmeister erleben ist schlimmer als jede Klatsche! Donnerstag heißt es dann Abschied nehmen von Daphne…ich „wechsel“ die Gastgeberin…meine zweite Couchsurfingstation…Priscila holt mich mit dem Auto ab! Wie nett!…sie wohnt im Prinzip im selben Abschnitt des südliche Flügels nur genau auf der anderen Seite in 905…ihr Apartment ist etwas größer und das Badezimmer hat auch eine Tür…sehr gut! Wir fahren dann gleich mal mit dem Auto rum und schauen uns die Kathedrale usw. bei abendlicher Beleuchtung an…alles in gelb und grün…sind auch schon kleine Patrioten die Brasilianer! Zum Abschluss landen wir an einer netten Promenade am See, wo wir noch etwas schnacken und die Atmosphäre genießen. Freitag spazieren wir durch den Stadtpark und gehen im Mangaraj Restaurant essen…hier wird alles per Kilo abgerechnet und ich altes “ Buffet-Opfer“ habe natürlich wieder riesige Augen und lade mir von allem etwas auf den Teller…850g!…hui…aber dann doch kein Problem…nach Salat, Früchten und Suppe bei Daphne braucht mein Körper mal wieder was Herzhaftes! Abends treffe ich mich mit meinem alten UEFA Boss Pedro im Kubitschek Plaza Hotel…benannt nach dem Präsidenten, der den Bau Brasílias letztendlich umsetzen ließ…Pedro spendiert einen Mojito und auch noch zwei Tickets für das Spiel um Platz Drei…Brasilien-Holland am kommenden Tag…stark!…zu irgendwas sind meine Kontakte also doch noch zu gebrauchen…da Pedro noch eine andere Verabredung hat fahre ich per Bus in den Nordflügel und treffe dort Priscila und eine ihrer Freundinnen…wir essen einen Happen und fahren dann zu einer typischen brasilianischen Forró Party…ein Musikstil aus dem Nordosten….eine echt gute Live Band spielt und es werden ordentlich die Hüften geschwungen…ich komme mir etwas hölzern vor, da ich die Schritte nicht beherrsche….als freundliche Gastgeber loben mich die Mädels trotzdem, dass ich mich doch sehr gut anstellen würde…haha…gegen 4 Uhr sind wir dann auch wieder zu Hause angekommen…der Samstag steht dann ganz im Zeichen des Spiels um Platz Drei…wir laufen zum Stadion….ja tatsächlich laufen…schon ein Unikum in einer Stadt, die Anfang der Sechziger ganz im Zeichen des aufstreben Autozeitalters konzipiert wurde!..endlich angekommen, können wir feststellen, dass wir genau an der Mittellinie sitzen…HAMMER!…das Spiel ist so lala…ich hatte erwartet, dass Brasilien befreit aufspielen würde, aber irgendwie sitzt die Halbfinalniederlage wohl doch tiefer als gedacht…Holland gewinnt mit 3:0 und Brasilien verabschiedet sich als Vierter von der Heim-WM…wir fahren zum Abendessen zu einem Asialaden und zum ersten Mal seit Monaten gibt es mal wieder Sushi für mich….lecker! Danach schauen wir noch Keinohrhasen…ja richtig gelesen..Keinohrhasen…Priscila mag deutsche Filme und ganz besonders Diesen!…verrückte Welt!…Sonntag gibt es ein spätes Frühstück und dann fahren wir auch schon zur deutschen Botschaft um dort das Finale zu schauen…die Idee haben allerdings auch noch tausend andere Leute und so müssen wir uns erst einmal in die Schlange stellen…kann ja wohl nicht wahr sein!…als Deutscher an der deutschen Botschaft anstehen… ich alter Fuchs lass mich aber nicht lumpen und umgarne an einem Seiteneingang eine nette alte Dame, die hier als Übersetzerin arbeitet, mit meinem Charme…und tatsächlich…sie lässt uns rein…sie zeigt uns sogar noch den Weg zur deutschen Botschaftskantine…da steht keiner an und das Bier ist auch nur halb so teuer…danke Maria!… wir suchen uns einen Sitzplatz und dann wird’s spannend…das Spiel beginnt…bisher war ich total entspannt bei allen Partien, aber heute bin ich angespannt wie ein Flitzebogen…Chancen auf beiden Seiten…ab und zu haben wir ordentlich Schwein…die Regie zeigt ständig die Christus Statue für gefühlte Ewigkeiten…was soll das denn??? und dann gehen auch noch die Fernseher aus, weil irgendwer den Timer auf 4 Stunden gestellt hat…ich flipp gleich durch…alles rennt zur großen Leinwand…Verlängerung…oh Mann…ich halts kaum noch aus…jetzt laufen die Fernseher auch wieder…und dann…113 Minute…Pass auf Schürrle…Flanke in den Sechzehner…Brustannahme Götze…Volleyschuss mit Links…TTOOOORRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRR
…ich raste aus…ich werd verrückt…alle Anspannung entlädt sich im tosenden Jubel…die Menge explodiert…der Laden kocht…was für ein Gefühl…Wahnsinn…nur noch wenige Minuten und dann der Schlusspfiff….WELTMEISTER 2014…in Brasilien…und ich bin live vor Ort…was für ein Finale meiner Reise…unbeschreiblich…ich kann es gar nicht richtig fassen…und sitze erstmal wie benommen auf meinem Sitz…aber nicht lange…dann steigt die Lutzie und das Freibier fließt…Samba do Brasil…wir machen gut Party und als irgendwann Feierabend ist verschlingen wir auf dem Weg zur Wohnung noch Hot Dogs am Straßenrand…mit heiserer Kehle versinke ich in einen tiefen Schlaf! Montag fahren wir gemeinsam in den Nationalpark Brasílias, wo ich in einem Freibad ein wenig plantsche und danach gehen wir noch etwas in der City spazieren bevor es zum Abendessen Schrimps und Pasta gibt…das Essen ist lecker und auch die Mojitos passen super zu dem angenehmen Ambiente des Restaurants…ein schöner Ort um Prisicilas bestandene Aufnahmeprüfung für die Universität zu feiern…am kommenden Morgen verlasse ich schweren Herzens die brasilianische Hauptstadt…an keinem anderen Ort meiner Reise habe ich mehr Zeit verbracht…danke an meine beiden super lieben Gastgeberinnen…danke Brasília…es war verdammt schön…einfach unvergessslich!!!




